Mehr als nur müde: Wie Physiotherapie beim Chronischen Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) helfen kann

Kurz und knapp
- Tiefe Erschöpfung: Körperliche und geistige Müdigkeit, die durch Schlaf nicht verschwindet.
- Kognitive Einschränkungen: Konzentrations- und Gedächtnisstörungen („Brain Fog“).
- Symptomverstärkung nach Belastung: Schon kleine Anstrengungen lösen oft einen „Crash“ (Post-Exertional Malaise) aus.
- Begleitende Beschwerden: Schmerzen, Schlafstörungen, Kreislaufprobleme, Überempfindlichkeit gegenüber Licht oder Geräuschen.
- Behandlungsansatz: Keine Heilung, aber Stabilisierung durch Pacing, sanfte Bewegung, Schlafhygiene, Stressreduktion und medizinische Betreuung.
Was ist ME/CFS? Die wichtigsten Symptome verstehen
Das Chronic Fatigue Syndrome (CFS) ist keine Einbildung oder eine vorübergehende Phase.
Es ist eine ernstzunehmende, körperliche Krankheit, die oft zu einer erheblichen Einschränkung und in schweren Fällen sogar zur Pflegebedürftigkeit oder Behinderung führen kann.
Die Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt, doch Experten sehen oft einen Zusammenhang mit viralen Infekten.
So können beispielsweise das Epstein-Barr-Virus oder auch eine COVID-19-Erkrankung mögliche Auslöser sein.
Viele Patienten, die heute mit ME/CFS diagnostiziert werden, haben eine Vorgeschichte mit Long COVID oder dem Post-COVID-19-Syndrom.
Das wohl gravierendste und für die Diagnose entscheidende Symptom ist die Post-Exertionelle Malaise (PEM), die dem Fatigue Syndrom auch den Namen Systemic Exertion Intolerance Disease (SEID) eingebracht hat.
- Post-Exertionelle Malaise (PEM): Man könnte es als „Crash nach der Anstrengung“ beschreiben. Schon minimale körperliche oder geistige Belastung – wie ein kurzer Spaziergang, ein Telefonat oder Lesen – kann Stunden oder Tage später eine massive Verschlechterung aller Symptome zur Folge haben. Diese Zustandsverschlechterung nach Belastung ist ein Kernmerkmal der myalgische Enzephalomyelitis / des chronischen Fatigue-Syndroms.
Weitere Hauptsymptome des Erschöpfungssyndroms sind:
Der schwierige Weg zur Diagnose
Für viele Patienten mit Myalgischer Enzephalomyelitis / Chronischem Fatigue-Syndrom ist der Weg zur richtigen Diagnose lang und frustrierend.
Vielleicht haben Sie selbst die Erfahrung gemacht, dass Ihre tiefgreifende Erschöpfung als normale Müdigkeit abgetan oder nicht ernst genommen wurde.
Diese Erfahrung ist leider weit verbreitet und ein wesentlicher Teil des Krankheitsbildes.
Der Grund für diese diagnostische Herausforderung liegt in der Komplexität der Erkrankung.
Es gibt bis heute keine spezifische Laboruntersuchung oder bildgebende Auffälligkeiten, die das chronische Erschöpfungssyndrom eindeutig nachweisen.
Die Diagnose ist daher ein Ausschlussverfahren. Experten müssen durch eine sorgfältige ärztliche Untersuchung andere Krankheiten mit ähnlichen Symptomen ausschließen und prüfen, ob die spezifischen Kriterien für die Myalgische Enzephalomyelitis erfüllt sind.
Dieser Prozess unterstreicht, wie wichtig es ist, einen Arzt oder Therapeuten zu finden, der mit der Krankheit vertraut ist und die Betroffenen ernst nimmt.
Der Teufelskreis: Warum „Zusammenreißen“ nicht funktioniert

Gut gemeinte Ratschläge wie „treib doch mal Sport“ oder „reiß dich zusammen“ sind für Menschen mit ME/CFS nicht nur wirkungslos, sondern schädlich.
Der Versuch, die Symptome zu ignorieren und die frühere Leistungsfähigkeit zu erzwingen, führt unweigerlich in einen Teufelskreis:
- Eine Person unternimmt trotz der Symptome alltägliche Aktivitäten.
- Diese Anstrengung übersteigt die stark reduzierte Belastungsgrenze und löst PEM aus – den „Crash“.
- Es folgt eine Phase der massiven Symptomverschlechterung, die Tage oder Wochen andauern kann und oft mit Bettlägerigkeit verbunden ist.
- Durch die erzwungene Inaktivität nimmt die körperliche Belastbarkeit weiter ab.
- Die Schwelle für den nächsten „Crash“ wird dadurch noch niedriger.
Dieser Zyklus ist der Grund, warum eine aktivierende Behandlung bei dieser Krankheit nachweislich schadet.
Der Schlüssel zur Stabilisierung ist ein völlig anderer Ansatz.
Pacing im Alltag: 3 erste Schritte, die Sie sofort umsetzen können
Während Sie auf eine spezialisierte Therapie warten, gibt es bereits Strategien, die Ihnen helfen können, Ihren Alltag besser zu bewältigen und weitere „Crashs“ zu vermeiden.
Diese ersten Schritte des Pacing können einen großen Unterschied für Ihre Leistungsfähigkeit und Ihr Wohlbefinden machen:
- 1. Führen Sie ein Energietagebuch: Notieren Sie für einige Tage alle Ihre Aktivitäten – auch Kleinigkeiten wie Duschen, Telefonieren oder das Lesen einer E-Mail. Bewerten Sie Ihr Energielevel davor und danach auf einer Skala von 1 bis 10. Das Ziel ist nicht, mehr zu schaffen, sondern Muster zu erkennen: Welche Belastung raubt Ihnen am meisten Energie? Wann tritt eine verzögerte Verschlechterung der Symptome als Folge auf?
- 2. Planen Sie feste Ruhepausen ein: Planen Sie mehrmals täglich feste Ruhepausen von 15-20 Minuten ein, in denen Sie sich hinlegen – idealerweise in einem ruhigen, abgedunkelten Raum ohne Ablenkung. Wichtig ist, diese Pausen präventiv einzulegen, bevor der Erschöpfungszustand Sie überwältigt. Sie dienen der Erholung und dem Aufladen Ihrer Energiereserven.
- 3. Wenden Sie die 50%-Regel an: Wenn Sie das Gefühl haben, eine Aktivität für 10 Minuten durchführen zu können, hören Sie bewusst nach 5 Minuten auf. Dieser Ansatz hilft Ihnen, innerhalb Ihrer Grenzen zu bleiben und eine Überlastung (Exertion) zu vermeiden. Es geht darum, das Leben an die Erkrankung anzupassen, nicht umgekehrt.
Körper und Seele: Den Umgang mit der Krankheit bewältigen
Das Leben mit einer chronischen Krankheit wie dem Fatigue Syndrom ist mehr als nur eine körperliche Herausforderung.
Die ständige Einschränkung, der Verlust der früheren Leistungsfähigkeit und die soziale Isolation stellen auch eine enorme seelische Belastung dar.
Gefühle wie Trauer, Angst und Frustration sind normale Reaktionen auf eine solch lebensverändernde Situation.
Sich diese Gefühle einzugestehen, ist ein wichtiger Schritt. Seien Sie nachsichtig mit sich selbst und erkennen Sie an, was Ihr Körper und Ihre Seele jeden Tag leisten.
Für viele Menschen ist auch der Austausch mit anderen Betroffenen, zum Beispiel in Selbsthilfegruppen, eine große Stütze.
Zu wissen, dass man nicht allein ist, kann ungemein helfen, die täglichen Herausforderungen zu bewältigen.
Die Rolle der Physiotherapie: Pacing statt Pushing

Eine spezialisierte physiotherapeutische Behandlung des chronischen Fatigue Syndroms zielt nicht darauf ab, Sie zu trainieren, sondern Ihnen zu helfen, Ihre Energiereserven klug zu verwalten.
Das Schlüsselwort lautet Pacing.
Pacing bedeutet, die eigenen, stark begrenzten Energieressourcen zu respektieren und Aktivitäten so zu planen, dass eine Überlastung und damit ein „Crash“ vermieden werden.
In der Praxis bedeutet das bei uns bei NOVUM2:
- Energiemanagement lernen: Gemeinsam entwickeln wir ein tiefes Verständnis für Ihre individuellen Belastungsgrenzen. Aktivitätentagebücher helfen dabei, Muster zu erkennen und die Auslöser für PEM zu identifizieren.
- Aktivitäten strategisch planen: Wir helfen Ihnen, Ihren Tag so zu strukturieren, dass kurze Aktivitätsphasen und notwendige Ruhepausen im Gleichgewicht sind. Ziel ist es, aktiv zu bleiben, aber immer unterhalb der kritischen PEM-Schwelle.
- Symptome lindern: Sanfte manuelle Techniken, Atemtherapie zur Beruhigung des Nervensystems und sanfte Mobilisation können helfen, Schmerzen zu lindern und die Beweglichkeit zu erhalten, ohne den Körper zu überfordern.
Ihr Weg zu mehr Stabilität
Die Myalgische Enzephalomyelitis / das chronische Erschöpfungssyndrom ist eine komplexe Erkrankung, die eine ebenso durchdachte Therapie erfordert.
Eine schnelle Erholung gibt es leider nicht, aber durch einen verständnisvollen und angepassten Ansatz können viele Patienten eine Stabilisierung ihres Zustands und eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensqualität erreichen.
Eine gründliche ärztliche Untersuchung und Diagnose sind dabei der erste Schritt.
Was erwartet Sie bei uns? Unser Ansatz im Detail

Wenn Sie sich für eine Behandlung in unserer Praxis entscheiden, möchten wir Ihnen die Unsicherheit vor dem ersten Termin nehmen.
Unser Ansatz ist darauf ausgerichtet, Ihnen Sicherheit und Verständnis zu vermitteln.
Eine Erstaufnahme bei NOVUM2 beginnt immer mit einem ausführlichen Gespräch.
Im Mittelpunkt stehen Sie und Ihre Geschichte.
Wir hören Ihnen genau zu, um Ihr individuelles Krankheitsbild, Ihre Belastungsgrenzen und Ihre spezifischen Symptome zu verstehen.
Auf dieser Grundlage entwickeln wir gemeinsam einen sicheren und individuellen Therapieplan.
Wir arbeiten streng nach dem Prinzip „Start low, go slow“ – das heißt, wir beginnen auf einem sehr niedrigen Aktivitätsniveau und steigern uns nur, wenn Ihr Zustand es sicher zulässt.
Unser Ziel ist es, Ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen Sie Ihren Zustand stabilisieren und Ihre Lebensqualität schrittweise verbessern können.
Lassen Sie sich behandeln
Wenn Sie sich in diesen Beschreibungen wiedererkennen, unter dem Müdigkeitssyndrom leiden oder einen Angehörigen unterstützen möchten, ist ein individueller Behandlungsplan der nächste Schritt.
Das Team von NOVUM2 ist auf die besonderen Anforderungen von ME/CFS-Patienten geschult.
Kontaktieren Sie uns für ein unverbindliches Beratungsgespräch, um Ihren Weg zu mehr Stabilität zu beginnen.
FAQ
Ist das Erschöpfungssyndrom heilbar?
Derzeit gibt es keine allgemeine Heilung für CFS. Die Behandlung zielt auf Symptomlinderung und Verbesserung der Lebensqualität ab. Manche Betroffene erleben über die Zeit teilweise oder vollständige Besserung, andere haben chronische Beschwerden. Frühzeitige Diagnose und ein individuell abgestimmtes Management verbessern die Chancen auf Stabilisierung deutlich.
Wie kann man feststellen, ob man CFS hat?
CFS wird durch eine Kombination aus Symptomen diagnostiziert, nachdem andere Ursachen ausgeschlossen wurden:
- Ärztliche Untersuchung und Laborwerte, um andere Krankheiten auszuschließen
- Dokumentation der Symptome über Wochen oder Monate
- Erfüllung der Diagnosekriterien (z. B. anhaltende Erschöpfung >6 Monate, Post-Exertional Malaise, kognitive Probleme, Schlafstörungen)
- In der Regel erfolgt die Diagnose durch Spezialisten für Innere Medizin oder Neurologie
Was hilft gegen das Chronische Erschöpfungssyndrom?
Eine gezielte Heilung gibt es bisher nicht, aber die Symptome können oft gelindert werden:
- Pacing: Aktivität an den eigenen Energielevel anpassen, um Überlastung zu vermeiden
- Sanfte Bewegung: Leichte, angepasste Bewegung kann helfen, Überlastung muss aber unbedingt vermieden werden
- Schlafhygiene: Regelmäßige Schlafzeiten, dunkler und ruhiger Schlafraum
- Stressreduktion: Entspannungstechniken wie Meditation, Atemübungen oder Yoga
- Medizinische Betreuung: Symptomatische Behandlung von Schmerzen, Kreislaufproblemen oder Schlafstörungen
Wie äußert sich chronische Erschöpfung?
Chronische Erschöpfung beim CFS ist viel mehr als normale Müdigkeit. Typische Symptome sind:
- Tiefe körperliche und geistige Erschöpfung, die sich durch Schlaf nicht bessert
- Konzentrations- und Gedächtnisstörungen („Brain Fog“)
- Unerklärliche Muskel-, Gelenk- oder Kopfschmerzen
- Schlafstörungen, trotz ausreichend Schlaf nicht erholsam
- Kreislaufprobleme, z. B. Schwindel beim Aufstehen
- Überempfindlichkeit gegenüber Licht, Geräuschen oder Berührungen
- Häufig verschlechtert sich der Zustand nach körperlicher oder geistiger Anstrengung (Post-Exertional Malaise)